Serie »Wolken«
Studien zum Aspekt des Tröstlichen in der Natur
Analoge SW-Fotografie
Sibergelatineprint auf Baryt, Alu-Dibond, 95 x 95 cm

Und nun erst, mit dem 16. Jahrhundert, geschieht in der abendländischen Malerei die entscheidende Wandlung. Die Vormundschaft der Architektur im Norden, der Skulptur in Italien erlischt. Die Malerei wird polyphon, »malerisch«, ins Unendliche schweifend. Die Farben werden Töne. Der bis dahin gleichgültig entworfene, als Füllung angesehene, als Raum fast verheimlichte Hintergrund gewinnt entscheidende Bedeutung. Eine Entwicklung setzt ein, die in keiner andren Kultur, auch nicht in der sonst vielfach nahe verwandten chinesischen, ihresgleichen hat: der Hintergrund als Zeichen des Unendlichen überwindet den sinnlich greifbaren Vordergrund. Es gelingt endlich – das ist der malerische im Gegensatz zum zeichnerischen Stil – das Tiefenerlebnis der faustischen Seele in die Bildbewegung zu bannen. Das »Raumrelief« Mantegnas mit seinen Flächenschichten löst sich zur Richtungsenergie bei Tintoretto. Der Horizont taucht im Bild auf als großes Symbol des grenzenlosen Weltraums, der die sichtbaren Einzeldinge als Zufälle in sich begreift. Man wird weder im ägyptischen Relief noch im byzantinischen Mosaik noch auf antiken Vasenbildern und Fresken, nicht einmal denen des Hellenismus mit ihrer Vordergrundsräumlichkeit eine Andeutung des Horizontes finden. Diese Linie, in deren unwirklichem Duft Himmel und Erde verschwimmen, der Inbegriff und das stärkste Symbol der Ferne, enthält das malerische Infinitesimalprinzip. Von der Ferne des Horizontes strömt die Musik des Bildes aus, und die großen Landschafter Hollands malen deshalb ganz einheitlich nur Hintergründe, nur Atmosphäre, wie umgekehrt »antimusikalische« Meister wie Signorelli und vor allem Mantegna nur Vordergründe – »Reliefs« – gemalt hatten. Im Horizont siegt die Musik über die Plastik, die Leidenschaft der Ausdehnung über ihre Substanz. Man darf sagen, dass es in keinem Gemälde Rembrandts ein »vorn« gibt. Denselben symbolischen Sinn haben Wolken, deren künstlerische Behandlung der Antike gleichfalls völlig versagt war und die von den Malern der Renaissance mit einer gewissen spielerischen Oberflächlichkeit behandelt wurden, während der gotische Norden sehr früh ganz mystische Fernblicke auf und durch Wolkenmassen schafft und die Venezianer, vor allem Giorgione und Paul Veronese, den vollen Zauber der Wolkenwelt, der schwebenden, ziehenden, geballten, tausendfarbig belichteten Wesen erfüllten Himmelsräume erschlossen ... (zit. nach Oswald Spengler, Untergang des Abendlandes)

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